346
weicht er auch in vielen Stücken sehr wesentlich von ihnen ab. Er ist
ruhiger, als alle übrigen Mitglieder der Katzcnfamilie, und liebt deshalb
größere Streifzüge durchaus nicht, sondern sucht es sich so bequem zu
machen als möglich.
Seine Lebensweise ist eine rein nächtliche, nur gezwungen ver-
läßt er am Tage sein Lager. Bei Tage begegnet man ihm äußerst selten;
im Walde nur, wenn man ihn durch Hunde auftreibcn läßt; dagegen sieht
man ihn einzeln, obgleich selten, von einem erhabenen Punkt Umschau über
die Gegend halten, wahrscheinlich um die Beute auszukundschaften. Erst
mit der Nacht zeigt er sich allgemein sind kündet durch donnerartiges Brüllen
seine Wache und den Beginn seiner Streifzüge an.
69. Das Gebrüll des Löwen.
Man begreift, daß alle Thiere, welche diesen fürchterlichen Räuber
kennen, vor Entsetzen fast die Besinnung verlieren, sobald sie ihn nur brüllen
hören. Dieses Gebrüll ist bezeichnend für das Thier selbst. Man könnte
es einen Ausdruck seiner Kraft nennen, es ist einzig in seiner Art und wird
von keiner Stimme eines andern lebenden Wesens übertroffen. Die Araber
haben ein sehr bezeichnendes Wort dafür, sie nennen es donnern. Be-
schreiben läßt sich das Löwcngebrüll nicht. Tief aus der Brust scheint es
hervorzukommen und scheint diese zersprengen zu wollen. Es ist schwer,
die Richtung-zu erkennen, von woher cs erschallt, denn der Löwe brüllt
gegen die Erde hin, und auf dieser pflanzt sich der Schall wirklich wie
Donner fort.
Unbeschreiblich ist die Wirkung, welche des Königs Stimme unter
seinen Unterthanen hervorruft. Die heulende Hyäne verstummt, wenn
auch nur auf Augenblicke, der Leopard hört auf zu grunzen, die Affen
beginnen laut zu gurgeln und steigen angsterfüllt zu den höchsten Zweigen
empor. Die blökende Herde wird todtcnstill; die Antilopen brechen
in rasender Flucht durch'- Gezweig ; das beladene Käme el zittert, gehorcht
keinem Zurufe seines Treibers mehr, wirft seine Lasten, seinen Reiter ab
und sucht sein Heil in eiliger Flucht ; das Pferd bäumt sich, schnauft,
bläst die Nüstern auf und stürzt rückwärts; der nicht zur Jagd gewöhnte
Hund sucht winselnd Schutz bei seinem Herrn : kurz Freiligrath's Be-
schreibung ist vollkommen richtig:
„Dem Panther starrt das Rosenfell,
Erzitternd flüchtet die Gazell',
Eö lauscht Kameel und Krokodil
Des Königs zürnendem Äebrüll."
Und selbst der Mann, an dessen Ohr zum ersten Mal diese Stimme
schlägt, in der Nacht des Urwaldes, selbst er fragt sich, ob er auch Held
genug sei dem gegenüber, welcher diesen Donner hervorruft.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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456
nehmen dem Menschen das Mühsamere und Materiellere der Arbeit ab.
Unter der Hand des Künstlers wird der Fels ein prächtiges Gebäude, der
Marmorblock eine Bildsäule, einige Farben ein Gemälde. Aber der Mensch
giebt nicht nur einzelnen Gegenständen eines Naturreichs eine andere Ge-
stalt, er wirkt auf eine ganze Landschaft, ja auf die ganze Oberfläche seines
Planeten. Er baut auf Ebenen und im Gebirge eine unzählbare Menge
von Städten, Tempeln und Palästen, Festungen, Dörfern, Weilern. Er
haut die Wälder aus, welche eine Gegend bedecken, verbessert durch den
Anbau ein Klima, welches ungesund war, oder vermindert seine zu große
Kälte; er verwandelt Sümpfe in fruchtbare Ebenen, verheerende Ströme
werden eingedämmt, Strecken, welche das Meer bedeckte, werden der Wvhn-
platz eines zahlreichen Volkes. An einer Küste ohne Zufluchtsort entstehen
Häsen, kühne Straßen führen über hohe Bergketten, welche man für un-
übersteiglich hielt, und die nun aufhören, absondernde Mauern zu sein;
künstliche Wasserstraßen verbinden benachbarte Ströme oder entgegengesetzte
Meere. Schiffe, von Rudern, Winden und Strömungen oder von Dampf
bewegt, durchschneiden in allen Richtungen den Ocean, welcher jetzt die
Nationen nähert und verbindet, die er während einer Reihe von Jahr-
hunderten abgesondert hatte. Ein unermeßlicher Austausch von Pflanzen
und Thieren geht in allen Theilen eines Continents, zwischen demmorgen-
und Abendlande, der Alten und Neuen Welt vor sich, und mehrere Gegenden,
deren ursprüngliche Erzeugnisse andern gewichen sind, haben ein neues Aus-
sehen erhalten. Endlich haben sich alle ursprünglichen Entfernungsver-
hältnisse sowohl durch die Vervollkommnung der Schiffahrt als durch die
Erfindung der Dampfmaschinen verändert: ein Weg, zu welchem der
Mensch zu Fuß oder in einem einfachen Boote mehrere Wochen brauchen
würde, wird nun in einigen Tagen zurückgelegt. Von Hamburg gelangt
man durch den Canal und um das Vorgebirge der guten Hoffnung herum
schneller nach Kanton, als durch Rußland und Mittelasien; die Neue Welt
ist Europa's naher Nachbar geworden, und der Handel zu Land und zu
Wasser bewirkt zwischen allen Völkern leichte und schnelle materielle und
moralische Verbindungen, welche diejenige, die das Christenthum zwischen
allen Gliedern der großen Menschenfamilie zu erzielen strebt, vorbereiten.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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467
Habe zum Grafen Adolf, um das Land, welches er ihnen versprochen hätte,
in Besitz zu nehmen. Zuerst erhielten die Holsten Wohnsitze an den sichersten
Oertern von der Trave bis an den Ploenersee. Die Westfalen bezogen die
Gegend um Segeberg, Holländer besetzten Eutin und die Friesen bekamen
Süsel. Kaum aber batte Adolf das Land so eingerichtet und bevölkert, da
brachen die Abodrietcn noch einmal aus Mecklenburg hervor und streiften selbst
bis nach Bornhovd und schleppten Weiber und Kinder in die Sklaverei.
Aber die befestigten Ortschaften leisteten tapferen Widerstand; berühmt ist vor
allen der Kampf bei Süsel, wo der Geistliche Gcrlav an der Spitze seiner
friesischen Gemeinde in heftigem Streite die Feinde zurückschlug. — Erst
allmählich gelang es Adolf, Ruhe und Sicherheit wiederherzustellen und dem
Christenthum eine sichere Stätte in Holstein und Wagrien zu bereiten. In
den unablässigen Kriegen war der Sinn des Volkes rauh und wild geworden.
Wer nicht rauben wollte, galt für träge und feige. Wie wilde Waldesel,
bedurften sie der Zähmung, aber Adolf zwang sie mit starker Hand, daß sie
die Wege des Friedens wandelten.
Jetzt war es Zeit, eine kirchliche Ordnung im Lande durchzuführen.
Das Bisthum Oldenburg ward wieder hergestellt, und Vicelin, der sich lange
Zeit vor den feindlichen Wenden in sein befestigtes Kloster hatte zurückziehen
müssen, ward jetzt von dem Erzbischof von Bremen zum Bischof von Olden-
burg geweiht. Aber in Oldenburg, das noch von Heiden bewohnt ward,
fand er keine günstige Aufnahme, deshalb begab er sich nach Bosau, einem
Dorfe am Ploenersee, welches ihm zu seinem Unterhalt geschenkt war. Von
hier aus zog er, wie einst Ansgar, predigend und taufend im Lande umher
-und erbaute daselbst die erste Kirche in Wagrien. Ein großes steinernes
Fußgestcll, das zum Taufstein Vicelin's gehörte, wird noch jetzt auf dem
Bosauer Kirchhof gezeigt. —
Doch war es ihm nicht beschieden, die ganze Vollendung seines Werkes
zu schauen. Mehr als dreißig Jahre hatte er unter den ungünstigsten Ver-
hältnissen für die Ausbreitung des Christenthums in Wagrien gearbeitet,
als seine zerrüttete Gesundheit ihn nach Neumünster zurückzukehren zwang.
Hier starb er nach langem Siechthum im Jahre 1154.
6. Knud Laward.
Um das Jahr 1100 herrschte in Dänemark der König Niels. Knud, der älteste
Sohn des verstorbenen Königs, hatte wegen seiner Jugend seinem Oheim die Herr-
schaft überlassen müssen. Als er herangewachsen war, verließ er sein väterliches
Reich, zog in die Fremde und verlebte mehrere Jahre am Hofe des Herzogs Lothar
von Sachsen. In den Waffen geübt und mit vielen Kenntnissen ausgerüstet, kehrte
er dann heim, um die Grenzen Dänemarks gegen die Einfälle der räuberischen
Wenden zu schützen. Als Herzog und Statthalter des Königs hielt er Hof in der
Stadt Schleswig und erbaute zum Schutze des Hafens und des Handels auf der
Möveninsel in der Schlei eine feste Burg, die Jürgensburg genannt. Unermüdlich
war er thätig , die Ordnung in seinem Lande herzustellen und die Straßen zwischen
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Adolf Adolf Adolf Adolf Adolf Ansgar Kirchhof Knud_Laward Knud Lothar
von_Sachsen
475
tagen, und der König war im Begriff sich zurückzuziehen, als die Friesen vor seinem
Lager erschienen. Mit Zurücklassung aller Beute und in der größten Unordnung
wich der König mit dem Heere zurück, um sich auf seinen Fahrzeugen einzuschiffen.
Aber eben war die Zeit der niedrigsten Ebbe, und die Schiffe saßen auf dem
Grunde. Da eilte der König weiter auf dem Deiche nordwärts, um den Ueber
gang über die Eider zu gewinnen. Aber schon hatten die Friesen den Milder-
dämm, der durch die Niederung ging, welche Eidersted mit dem /-estlande verband,
besetzt, als das Heer des Königs vor demselben in der größten Unordnung an-
langte. Das ganze Heer tvard vernichtet, und ein edler, freier Friese, ein Wagen-
zimmermann aus Pelworm, Wessel Hummer genannt, spaltete dem flüchtigen
Könige mit seiner Streitaxt das Haupt. Das geschah am 29. Juni 1252. Die
Leiche des Brudermörders und die seiner Gefährten blieben auf dem Schlachtfelde
unbeerdigt liegen zum Fraße für Wölfe und Raben.
10. Gerhard der Große.
Nach Adolf's Tode hatten seine Nachkommen das Land unter sich getheilt
und hielten Hof zu Kiel und Segeberg, zu Ploen und Rendsburg. Weil sie aber
große Feindschaften gegen einander hegten, waren sie auch nicht mehr so gefürchtet
wie früher und mußten wiederholt ihre alten Feinde, die Könige von Dänemark,
als Schiedsrichter herbeirufen. Diese gewannen immer mehr Macht und hatten
schon Lübeck wieder ihrer Herrschaft Unterthan gemacht. Da war es der junge
Graf Gerhard von Rendsburg, der sein Haus und sein Land durch gewaltige
Kriegsthaten wieder zu neuer Macht und neuem Ansetzn brachte. Bon ihm wird
erzählt, daß er anfangs kein Schloß und kein Eigenthum als einige Windhunde
gehabt und zu Rendsburg auf einem Kornspeicher gewohnt habe, bis Hartwich
Reventlow, ein aus Ditmarsen vertriebener Ritter, ihn der Dürftigkeit entrissen
und mit Waffen und Pferden ausgerüstet habe, mit denen er sich dann wider seine
Stammvettern eine Herrschaft erkämpfte. Im Bunde mit seinem Vetter Johann
dem Milden von Ploen suchteer, von Ehrgeiz getrieben, seine übrigen Verwandten
ihrer Länder zu berauben. Der eine ward aus einem Fenster seines Schlosses zu
Kiel in den Burggraben geworfen, ein anderer auf seiner Burg zu Segeberg des
Nachts im Bette von Reventlow erschlagen. Selbst der alte Graf Johann, der
so seine beiden Söhne verloren hatte, ward überfallen und gefangen hinwegge-
führt und auf seinem Schlosse zu Kiel bewacht. All' ihr Land theilten die Sieger
unter sich. Da erhoben sich ihr Vetter, Adolf von Schauenburg, und andere
Fürsten und gedachten, von den Ditmarsen unterstützt, Gerhard wegen der schweren
Gewaltthaten zu strafen. Weil die Fürsten aber einzeln angriffen, wurden sie
von Gerhard leicht überwältigt und gefangen hinweggeführt. Nur die Ditmarsen
drangen siegreich bis Kiel und Bornhövd vor. Als sie aber mit großer Beute
beladen in ihr Land zurückkehren wollten, wurden sie von Gerhard überfallen
und mußten ihm alle ihre Beute preisgeben. „Da wuchs dem jungen Grafen
immer mehr sein Gut und es wuchs ihm auch der Muth von dem Streite" und
er beschloß, einen Rachezug gegen die Ditmarsen zu unternehmen. Mit vielen
adeligen Herren zog er aus und schlug die Ditmarsen zweimal im Streite. Die,
welche entflohen, eilten in die Kirche von Oldenwöhrden. Als die Holsten sich
nun davor legten und Feuer heranbrachten, baten sie um Gnade und wollten des
Grafen getreue Unterthanen sein. Der aber wollte ihnen kein Gehör geben und
ließ das Feuer stärker anfachen. Als nun schon das geschmolzene Blei des
Kirchendaches auf sie herunterträufelte, wollten die Ditmarsen das alleräußerste
wa^en: sie brachen aus der Kirche hervor, stürzten sich auf die sorglos zerstreuten
Feinde und erschlugen ihrer so viele, daß sie im Blute wateten. Wie nun Gerhard
sich in Traurigkeit mit seinen Haufen zurückziehen wollte, fand er die engen Wege
der Marschen besetzt, so daß bier noch viele Edle den Tod durch die Hand der
Bauern erlitten. Als Gerhard nun erkannte, daß er die tapferen Bewohner der
Marschen nicht zu unterwerfen vermöchte, beschloß er, alle Zwietracht mit ihnen
31 *
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Wessel_Hummer Gerhard_von_Rendsburg Hartwich
Reventlow Johann Johann Reventlow Johann Johann Adolf_von_Schauenburg Adolf Gerhard Gerhard Gerhard
Extrahierte Ortsnamen: Segeberg Rendsburg Rendsburg Kiel
479
Schleswig mit lauter Stimme dem versammelten Volke, daß der Rath der Holsten
zum Besten ihrer Lande den König Christian von Dänemark zu einem Herzoge
von Schleswig und Grafen zu Holstein erkoren habe. Der neue Landesherr
stellte darauf eine Urkunde aus, worin er die Rechte und Freiheiten seiner Unter-
thanen feierlich anerkannte. Er erklärte, aus periönlicher Gunst und keineswegs
in seiner Eigenschaft als König von Dänemark sei er erwählt worden. Bei allen
Heiligen schwur er für sich und seine Nachkommen, das Recht der Lande treu zu
bewahren. Diese aber sollten ewig zusammen bleiben ungetheilt; kein Krieg solle
geführt werden, außer zum Nutzen derselben und mit Einwilligung des Landtags;
die Einwohner aber sollten über die Königsau und die Elbe hinaus nicht zum
Kriegsdienste verpflichtet >ein.
Als die Lübecker, welche für den Grafen Otto gewesen waren, hörten, daß
die Stände das Wort, welches sie ihnen gegeben hatten, gebrochen und den König
Christian zu ihrem Landesfürsten erwählt hätten, wurden sie sehr unwillig und
ließen zum Andenken daran diese Worte niederschreiben: „Also wurden dieholsten
Dänen und gaben sich aus freien Stücken ohne Schwerterschlag unter den König
von Dänemark, wogegen ihre Vorfahren manches Jahr gewesen waren und es
binderten mir wehrhafter Hand. Denn sie führten manchen Krieg mit den Dänen,
wobei ihnen die Städte der Hansa mit großem Volk und großen Kosten behülflich
waren. Auch war mancher Herr und Fürst und ritterlicher Mann in dem Streite
gefallen, weil sie den Dänen nicht Unterthan, sondern frei sein wollten. Und das
alles hatten die Holsten zu der Zeit vergessen und wurden freiwillig zu eigen, und
das machte die Gierigkeit der Holsten und die Verschlagenheit der Dänen; denn
der König erkaufte sie mit Geld und Gabe und mancherlei Versprechungen und
gelobte allen Schloßhauptlemen, sie sollten lebenslang die Schlösser behalten.
So wurden sie durch Eigennutz verblendet und gaben das Gut des ganzen Landes
um kleinen Vortheils willen preis. Ihnen aber ward nicht einmal gehalten, was
ihnen versprochen war; denn der König nahm ihnen die Schlösser noch in dem-
selben Jabre und setzte andere Hauptleute darauf."
13. Die Kriege mit den Ditmarsen.
Die Ditmarsen (die Bewohner der Volks- oder deutschen Marschen) waren
unabhängig von den holsteinschen Grafen und wollten nicht von Fürsten regiert
werden. Alle Angriffe auf ihre Freiheit wehrten sie mit Kraft und Muth ab. Jeder
wehrhafte Mann war zur Vertheidigung des Landes verpflichtet; eine große Streit-
axt und ein kurzes Schwert waren die von Alters her gebräuchlichen Waffen; mit
vollendetem vierzehnten Jahre mußte der junge Ditmarse an den Waffenübungen
seines Kirchspiels theilnehmen. Zum Schutze gegen die Angriffe der Holsten dienten
die sogenannten Hammen: „das waren Landwehren mit zwei oder drei doppelten
Gräben auf einigen Stellen vor der Marsch und mit Holz dicht überwachsen. Da
hindurch ging ein enger, zwei oder drei Steinwürfe weiter Steinweg, der an beiden
Seiten von einem tiefen Graben eingeschlossen war." In das Land führte nur
eine große Landstraße auf Meldorf zu. Die Marschgegend des Landes setzte durch
zahlreiche breite Wassergräben und die Beschaffenheit des Bodens jedem eindringen-
den Feinde große Hindernisse entgegen, welche die Ditmarsen klug zu benutzen
wußten. Das hatte einst Gerhard der Große erfahren müssen. Aber die Enkel
desselben hatten vergessen, wie übel es ihm ergangen, und ließen sich durch stolze
und übermüthige Räthe zu ihrem Unglück verleiten, von neuem einen Angriff gegen
die freien Bauern zu unternehmen. Der Graf Albrecht von Holstein fand durch
einen Sturz mit dem Pferde einen frühen Tod, als er Zwingburgen an der Grenze
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Christian_von_Dänemark Otto Christian Muth Albrecht_von_Holstein Albrecht
481
von Ahlefeld, der Junker Slenz und der Herzog Friedrich dem Könige, besseres
Wetter abzuwarten. Der König befahl den Aufbruch. In langem Zuge rückte
das Heer vorwärts auf dem engen Wege, der von beiden Seiten von tiefen Gräben
eingeschlossen war. Voran zog die Garde mit trotzigem Muthe, dann die Bürger
und Bauern und zuletzt die Ritter in glänzenden Rüstungen und hinter ihnen ein
unermeßlicher Wagentroß. Plötzlich stockte der Zug; von vorne her schlugen
Kanonenkugeln in die Reihen der Garde. Mit kühnem Muthe drang die Garde
vor und suchte die Schanze bald zu stürmen, bald zu umgehen. Aber alles war
vergebens: Gräben an Gräben durchschnitten den Marschboden, und der strömende
Regen verdarb ihr Geschütz. Die Ditmarsen brachen, wiederholt zurückgeschlagen,
immer von neuem aus der Schanze hervor und warfen sich auf die dicht zusammen-
gedrängte Garde. Plötzlich begann das Wasser zu steigen, die Schleusen waren
geöffnet, und ein Meer umgab von beiden Seiten die Kämpfenden. Mitten im Ge-
tümmel hielt noch hoch zu Roß Junker Slenz in seinem goldenen Harnisch und
Panzer. Da sprang ein Mann mit langen, gelben, krausen Haaren, Reimer von
Wimersted genannt, an ihn heran, hieb ihn mit seinem langen Speere vom Pferde
und stürzte ihn in den tiefen Graben hinab. Als sie ihren Führer gefallen sahen,
wich die Garde in wilder Flucht zurück. Während dessen hielten die Ritter und die
Fürsten auf ihren schwergerüsteten Pferden im Schlamme, ohne am Kampfe theil-
nehmen zu können. Von den Seiten des Weges her sprangen die Ditmarsen heran,
erstachen die Rosse, und die Reiter sanken mit ihren schweren Panzern in die Gräben.
Hier fiel auch nach tapferem Kampfe der Marschall Hans von Ahlefeld und hielt
noch sterbend den Danebrog, das Banner des dänischen Reiches, in seiner Eisenfaust.
Dar wart ok der Holsten König geschlagen
mit all sinem groten Heere;
dar lag do sin Pert, dar lag sin Schwere,
darto die königlike Krone.
Die Fürsten entrannen mit genauer Noth dem Blutbade und suchten ver-
gebens in Meldorf die Trümmer des Heeres zu sammeln; alles, was mit dem
Leben davon gekommen war, eilte zum Lande hinaus. Gefallen waren 200 hol-
steinsche Edelleute und unzählig Volk. Die Todten blieben unbeerdigt auf dem
Schlachtfelde liegen, und später konnte keiner mehr die Leichen der Vornehmen
unter dem modernden Haufen erkennen. Unermeßlich war die Beute an Geschützen,
Harnischen, Panzern, kostbaren Gewändern und Kleinodien, welche den Siegern
in die Hände fiel. Mit dem gewonnenen Gute beschenkten sie reich ihre Kirchen
und hingen die Dannebrogsfahne als Siegeszeichen in der Kirche zu Oldenwöhrden
auf. — Der Ruhm der Ditmarsen erscholl jetzt durch alle deutschen Lande; aber
sie wurden stolz und ließen sich dünken, daß die ganze Welt' sie nicht bezwingen
könne. Laut sangen sie:
De sik gegen Ditmarsen fetten will,
de stelle sich wol to Weren:
Ditmarsen dat schölen Buren sin,
et mögen wol wesen Heren!
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Reimer_von
Wimersted Hans_von_Ahlefeld
482
2. Die Icfctc Fehde.
Ein halbes Jahrhundert batten die Ditmarsen jetzt Ruhe vor den Angriffen
der holsteinschen Fürsten. Sie waren reich und wohlhabend geworden; selbst ihre
Schweine, so erzählten sich die Holsten, fraßen ans silbernen Trögen; aber sie
waren muthwillig gegen Gott und Menschen, so daß kein Fremder Recht bei ibnen
finden konnte. Wenn ihre Prediger ihr Treiben straften, jagten sie dieselben aus
dem Lande oder schlugen ihnen die Kopse entzwei. Die Holsten waren ihnen noch
immer sehr feindlich gesinnt und verfolgten sie mit Mord, Raub und Brand. Wer
einem Ditmarsen Böses zufügte, glaubte Gott einen großen Dienst zu erweisen.
Der Herzog Adolf von Gottorp, ein kriegerischer Mann, erklärte laut, er könne
ibre bösen Thaten nicht vergessen und sei nach göttlichen Rechten befugt, sie dafür
zu strafen. Nur mit Mühe ward er abgehalten, den Zug allein zu unternehmen.
Der alte siegberühmte Johann Rantzau, der schon als neunjähriger Knabe den
Tod seiner bei Hemmingsted gefallenen Verwandten zu rächen gelobt hatte, sollte
sein Feldhauptmann sein; der wollte aber nur dann das Heer führen, wenn der
König Friedrich Ii. und Adolf's Bruder Johann sich auch an der Eroberung be-
theiligten. Die Rüstungen der drei Fürsten kamen rasch zu Stande, und ein aus
dem Gefängniß entlassener Verbrecher kündigte, weil sonst niemand die Botschaft
übernehmen wollte, im Namen derselben den Ditmarsen die letzte Fehde an. Diese
aber dachten nicht daran sich zu unterwerfen und wollten ihre Sache dem allmäch-
tigen Gott, ihrem Streitesfürsten, anheimstellen. Mit großer Vorsicht begannen
die Fürsten den Krieg, und Landesfeinde dienten ihnen als Wegweiser; denn die
Vornehmen der Ditmarsen waren mit den Fürsten einverstanden, daß der Muth-
wille des gemeinen Mannes gezüchtigt werden möge. Johann Rantzau marschierte
zuerst wider Erwarten der Ditmarsen auf Meldorf und nahm es mit stürmender
Hand. Diese standen in großer Zahl bei Hemmingsted und erwarteten hier, wie
im Jahre 1500, die entscheidende Schlacht. Doch Johann Rantzau zog mit dem
Heere über die Tilenbrügge und drang in raschem Marsche unaufhaltsam gegen
Heide vor. Nur die Reiterei, mit äußerster Anstrengung von Roß und Mann, hatte
ihm sogleich folgen können. Allmählich langte das Fußvolk an, unlustig zum
Kampfe und zum Theil in offener Empörung gegen ihre Führer. Ueberrascht eilten
jetzt die Ditmarsen herbei und warfen einen ihrer Haufen nach dem andern dem
Feinde entgegen. Es entspann sich ein blutiger Kampf: der König Friedrich gerieth
in Lebensgefahr und wollte verzagen, Herzog Adolf wurde schwer verwundet aus
der Schlacht getragen; aber Johann Rantzau behauptete das Feld; 3000 Dit-
marsen waren erschlagen, Heide ward angezündet und bis auf die Kirche nieder-
gebrannt. Da sank den Ditmarsen der Muth. Am folgenden Tage schickten sie
zwei Prediger mit einem Schreiben in's feindliche Lager. Unterdessen lag in der
Nordermarsch Alt und Jung auf den Knien, Gott anflehend, daß er ihnen den
rechten Sinn zur friedlichen Unterwerfung, oder Muth und Kraft zum ferneren
Widerstande verleihen möge. „Gottes Düsend! de Bur will sik geven" , riefen
die herzoglichen Soldaten, als die Abgesandten im Lager erschienen. Hier gedachte
man zuerst das Volk der Ditmarsen gänzlich auszurotten; aber die harten Be-
dingungen wurden gemildert, als sie baten, man möge sie mit Weib und Kind,
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Extrahierte Personennamen: Adolf_von_Gottorp Adolf Johann_Rantzau Johann Friedrich_Ii Friedrich Johann Johann_Rantzau Johann Johann_Rantzau Johann Friedrich Friedrich Adolf Adolf Johann_Rantzau Johann Muth
492
gegen die ungeheure Uelermacht der Feinde. Am 19. September ließ Waldstein
zum letzten Angriff blasen; in gedrängten Haufen zogen seine Scharen auf die
Brücke zu und suchten das Thor zu sprengen. Da erkannte Schuht, daß es zum
äußersten gekommen sei; er ließ, so wird erzählt, eine Kanone unter das Thor
führen, die Thüren öffnen und das Geschütz auf die in dichten Haufen vordringen-
den Feinde abfeuern. Ganze Reihen wurden niedergestreckt, aber immer frische
Truppen schritten über die Leichen der Ihrigen vor. Als nun der tapfere Schuht
die stürmenden Feinde nicht zurückdrängen konnte, gedachte er ruhmvoll zu sterben.
Er ließ ein Pulverfaß unter das Thor bringen, setzte sich mit einer brennenden
Lunte darauf, zündete es an und sprengte sich und die umstehenden Feinde in die
Luft. Durch den Pulverdampf drang jetzt der Feind mit wildem Kriegsgeschrei
in die Burg; was sich von derbesatzung auf denhöfen und Wällen befand, ward
sogleich niedergehauen; denn Waldstein hatte befohlen, keinem Manne das Leben
zu lassen.
Im Saal des Schlosses standen die letzten Männer gedrängt zusammen und
erwarteten den Tod. Die Feinde drangen ein und metzelten alle nieder. Wäh-
rend das ganze Schloß vom Jammergeschrei der Sterbenden widerhallte, saß
der furchtbare Waldstein auf der Vordiele und spottete und lachte. — Endlich
ward es still im Schlosse, und da gebot er den geschonten Weibern, das Blut ihrer
erschlagenen Männer von den Dielen zu waschen; aber diese wollten liebersterben,
als sich zu einem solchen Blutdienste verstehen. — Das ganze Schloß wurde aus-
geplündert, alle Schätze, die Heinrich Rantzau gesammelt, wurden vernichtet oder
weggeschleppt und sind der Nachwelt unwiederbringlich verloren.
17. Herzog Friedrich Iii. von Gottorp.
In der ersten Hälfte deö 17. Jahrhunderts sah es traurig aus in unserem
Lande: durch die verheerenden Züge Waldstein's und des Schweden Torstenson
hatten alle Stände, Adel, Bürger und Bauern, furchtbar gelitten; ganze Strecken
Landes waren verödet und unbewohnt, viele Häuser in den Städten leer; Wölfe
hausten wieder in den Heiden. Dabei war das Volk verwildert, und immer mehr
wich die alte Einfachheit und Reinheit der Sitten. Fürsten und Adel waren dem
Laster der Trunkenheit ergeben; die jungen Ritter führten ein wüstes, wildes
Leben und verübten gegen die friedlichen Bürger und wehrlosen Landlente schwere
Gewaltthaten.
Mitten in diesen schlimmen Zeiten herrschte zu Gottorp der Herzog Friedrich Iii.,
ein milder, wohlthätiger Herr, der keinem Bittenden etwas abschlagen konnte,
kein Freund der Gelage und des rohen Trinkens und ein Feind aller Gewaltthätig-
keiten. Während seiner ganzen wechselvollen Regierung war er immer bemüht
das Wohl des Landes zu heben. An seinem Hofe lebten die bedeutendsten Künstler
und Gelehrten und wurden in allen ihren Bestrebungen von ihm gefördert. Der
Maler Jurian Ovens ans Tönning schmückte sein Schloß durch herrliche Gemälde.
Ein weitberühmter Gärtner, Clodius,' verwandelte die bewaldeten Höhen in der
Umgebung des Schlosses in einen prächtigen Park; Adam Olearius sammelte aus
des Herzogs Befehl reiche Kunstschätze an; eine große Bibliothek aus den seltensten
Büchern und Handschriften war in einer Reihe von gewölbten Zimmern auf-
gestellt. Daneben ließ er eine sogenannte Kunstkammer anlegen, worin die
wunderbarsten Seltenheiten und Raritäten aus aller Herren Ländern gezeigt
wurden. Es fanden sich da Figuren von allerlei Volk in ihren heimischen Trachten,
allerlei Arten fremder Thiere, Versteinerungen, Pflanzen und Münzen. In ganz
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Extrahierte Personennamen: Waldstein Waldstein Waldstein Heinrich_Rantzau Heinrich Friedrich_Iii Friedrich Gottorp Friedrich_Iii Friedrich Jurian_Ovens Clodius Adam_Olearius
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ch
Lied „Jesus, meine Zuversicht" gedichtet hatte, seufzete nun auf: „Wie
bitter ist der Tod!" Aber sie war doch bereit abzuscheiden und zu Christo
zu gehen. Singen und Spielen der geistlichen Lieder war ihre liebste täg-
liche Beschäftigung; oftmals traf sie der Kurfürst in Gebet und Andacht
vertieft. Paul Gerhardt's Lieder las sie gar gern, und als der wackere
Mann in Folge der Streitigkeiten zwischen Lutheranern und Reformierten
seines Amtes entsetzt werden sollte, nahm sie sich herzlich seiner an.
3. Wer nur den lieben Gott läßt walten.
Der Verfasser dieses Liedes ist Georg Neumark, geboren im
Jahre 1621. Er war nicht immer herzoglich sächsischer Archivsekretair und
Bibliothekar zu Weimar, sondern es gab eine Zeit, da war er ohne Ver-
sorgung und lebte in so großer Armuth zu Hamburg, daß er sich einst ge-
nöthigt sah, seine Gefährtin in manchen Leiben, seine theure Viola di
Gamba, die er mit seltener Fertigkeit spielte, zu versetzen. Da er aber
nicht aufhörte, dem Herrn zu singen und zu spielen in seinem Herzen, so
blieb auch ein Zeichen der Erhörung nicht aus. Neumark wurde nämlich
an den schwedischen Gesandten zu Hamburg, von Rosenkranz, empfohlen.
Zur Probe ließ dieser ihn eine Schrift an die Reichsräthe in Schweden
aufsetzen, welche die Ernennung zum Gesandtschafts-Sekretair zur Folge
hatte. Sein erstes Geld mußte seine Viola heimholen, und sein dankerfüll-
tes Herz ergoß sich in dem schönen Liede: „Wer nur den lieben Gott läßt
walten," das sogleich auch mit der Musik geboren wurde.
4. Nun danket alle Gott.
Der Sänger dieses Liedes, welches so oft bei Erntefesten, wie am
Jahresschlüsse und an Friedensfestcn gesungen worden ist und noch gesungen
wird, ist Martin Rinkart, Archidiakonus zu Eilenburg in der Provinz
Sachsen. Er hat mit seiner Gemeinde die ganzen, schweren Drangsale
des dreißigjährigen Krieges durchlebt. Die furchtbare Pest, welche zu jener
Zeit die deutschen Lande durchzog, wüthete auch in Eilenburg. Es starben
täglich 40—50 Personen, im ganzen Pestjahre 8000. Dreimal täglich
half Rinkart die Pestleichen beerdigen, wobei jedes Mal 10 —12 Leichen
in eine Grube gelegt wurden. Auf solche Weise hat er 4480 Personen
beerdigt. Er blieb aber dabei so gesund, daß ihm niht ein Finger weh
that. Auf die Pest folgte eine eben so furchtbare Hungersnoth, bei welcher
viele den Hungertod starben. Man sah dazumal öfters 20—30 Personen
einem Hunde oder einer Katze nachlaufen, um sie einzufangen, und hin-
wiederum 40 Personen sich um eine todte Krähe zanken. Das Aas vom
Schindanger wurde sogar nicht verschmäht. In dieser Noth gab Rinkart
das Letzte hin und litt, um andern zu helfen, lieber selber Mangel; vor
seiner Thüre sammelten sich bisweilen 4—800 Menschen. Später brand-
schatzte ein schwedischer Oberst Dörffling die Statt und forderte 30,000 Tha-
ler; da gelang es nur durch die inständigen Bitten und Vorstellungen Rin-
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Die Naben ziehen krächzend zumal
nach dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl.
„Wen flechten sie auf das Rad zur
Stund' ?
Was hat er gethan? wie ward es kund?"
Die Sonne bracht' es an den
Tag!
36. Kolumbus.
„Was willst du, Fernando, so trüb'
und bleich?
Du bringst mir traurige Mär!"
„Ach, edler Feldherr, bereitet Euch!
nicht länger bezähm' ich das Heer!
Wenn jetzt nicht die Küste sich zeigen will,
so seid Ihr ein Opfer der Wuth;
sie fordern laut wie Stnrmgebrüll
des Feldherrn heil'ges Blut."
Und eh' noch dem Ritter das Wort
entflohn,
da drängte die Menge sich nach,
da stürmten die Krieger, die wüthenden,
schon
gleich Wogen in's stille Gemach,
Verzweiflung im wilden, verlöschenden
Blick,
auf bleichen Gesichtern der Tod! —
„Verräther! wo ist nun dein gleißendes
Glück?
jetzt rett' uns vom Gipfel der Noth!
Du giebst uns nicht Speise, so gieb uns
dein Blut!
Blut!" rief das entzügelte Heer. —
Sanft stellte der Große den Felsenmuth
entgegen dem stürmenden Meer.
„Befriedigt mein Blut euch, so nehmt es
und lebt!
Doch bis noch ein einziges Mal
die Sonne dem feurigen Osten entschwebt,
vergönnt mir den segnenden Strahl.
Beleuchtet der Morgen kein rettend
Gest ad,
so biet' ich dem Tode mich gern;
bis dahin verfolgt noch den muthigen
Pfad
und trauet der Hülfe des Herrn!"
Die Würde des Helden, sein ruhiger
Blick
besiegte noch einmal die Wuth.
Sie wichen vom Haupte des Führers
zurück
ltnb schonten sein heiliges Blut.
„Wohlan denn, es sei noch! doch hebt
sich der Strahl
und zeigt uns kein rettendes Land,
so siehst du die Sonne zum letzten Mal,
so zittre der strafenden Hand!"
Geschlossen war also der eiserne Bund;
die Schrecklichen kehrten zurück. —-
Es thue der leuchtende Morgen nun kund
des duldenden Helden Geschick!
Die Sonne sank, der Tag entwich;
des Helden Brust ward schwer.
Der Kiel durchrauschte schauerlich
das weite, wüste Meer.
Die Sterne zogen still herauf,
doch ach! kein Hoffnungsstern!
Und von des Schiffes ödem Lauf
blieb Land und Rettung fern.
Vom Trost des süßen Schlafs ver-
bannt,
die Brust voll Gram, durchwacht,
nach Westen blickend unverwandt,
der Held die düstre Nacht.
„Nach Westen, o nach Westen hin
beflügle dich, mein Kiel!
Dich grüßt noch sterbend Herz und Sinn,
du meiner Sehnsucht Ziel!
Doch mild, o Gott, von Himmelshöhn
blick auf mein Volk herab!
Laß sie nicht trostlos untergehn
im wüsten Flutengrab!"
Es sprach's derheld, von Mitleid weich;
da — horch! welch eiliger Tritt?
„Noch einmal, Fernando, so trüb' und
bleich?
Was bringt dein bebender Schritt?"
„Ach, edler Feldherr, es ist geschehn!
Jetzt hebt sich der östliche Strahl!"
„Sei ruhig, mein Lieber, von himm-
lischen Höhn
entwand sich der leuchtende Strahl.
Es waltet die Allmacht von Pol zu Pol,
mir lenkt sie zum Tode die Bahn."
„Leb' wohl denn, mein Feldherr, leb'
ewig wohl!
ich höre die Schrecklichen nahn!"
Und eh' noch dem Ritter das Wort
entflohn,
da drängte die Menge sich nach ;
da stürmten die Krieger, die wüthenden,
schon
gleich Wogen in's stille Gemach.
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